FAQ - “Atme ich richtig?”

    In “Die souveräne Stimme” finden Sie vielerlei Übungen zum Thema Aufrichtung, Bewegung, Stimme und Atmung. Das Thema “Atem” wird dort wie hier nie isoliert betrachtet. 

Es kursieren verschiedenste Vorstellungen davon, wie der Atem zu laufen oder sich anzufühlen habe. Und zwar unabhängig davon,ob jemand sich viel oder wenig mit der Stimme, dem Körper dem Atmen beschäftigt hat, oder ob nicht. Fragen Sie eine beliebige Person, jeder hat etwas dazu zu sagen, und oft mit dem Pathos der Wahrheit (Tief atmen! In den Bauch atmen! Langsam atmen! Mehrmals am Tag atmen! etc)

Zwei Arten von Antwort kann ich Ihnen bieten.

Eine, die sich mit den Konzepten, welche die Frage ausdrückt, befasst. Und eine, bei der Sie sich mit Ihrem Atmen auf praktischer Ebene auseinandersetzen können. Wählen Sie selbst. Es sind beides gültige und nützliche Varianten, aber der einen werden Sie heute den Vorzug geben.

  • Die eine Art Antwort:

    Das Wichtigste zu dieser Frage ist die Frage selbst.

    Die Frage spannt einen bestimmten Antwortshorizont auf bzw. wird innerhalb eines solchen gestellt.

    • Meine erste Frage, um mehr über diesen Horizont zu erfahren lautet:

    “Richtig wofür?”

      Wie auch immer Sie atmen mögen - Sie atmen nicht zufällig so, ebensowenig, wie Sie zufällig an dem Ort sitzen, wo Sie sitzen. Ihr momentanes Atmen ist Teil Ihrer Geschichte. Man könnte auch fragen:

”Haben Sie die richtige Geschichte?”

Und was wäre darauf Ihre Antwort?

(Der Verdacht, es könnte mit der Frage etwas nicht stimmen, taucht diskret im Hintergrund auf.)

    • Die Vorstellung eines bestimmten Atemgefühls.
    • Wäre es nicht schön, jemand könnte mir sagen oder zeigen: “So fühlt es sich richtig an”? 

      Drei Fehler liegen in dieser Vorstellung:

      • Eine bestimmte Bewegung (hier: das Atmen) gehe immer einher mit einem bestimmten Gefühl. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Vergleichen Sie es mit DEM Gefühl des Aufstehens, des “Hand-Hebens” etc.
      • Zu den allermeisten Bewegungen gibt es überhaupt keine (schon gar keine bestimmten, also stets gleichbleibenden, sich von anderen absetzenden) Gefühle bzw. Empfindungen. Wie ist Ihr Geh-gefühl? Was ist der Unterschied im Teetassenhebegefühl zum Kaffeetassenhebegefühl? Und welches ist das “richtige” “korrekte” “gute” “ergonomische” etc Kaffetassenhebegefühl”?

        Mal fühle ich die Sonne meine Schulter bescheinen beim Teetassenanheben. Mal fühle ich das Gewicht der Teetasse. Mal nicht. Es mag zwar begleitende Wahrnehmungen dazu geben - die aber sind immer verschieden. Mein Teetassenanheben dagegen - das sieht immer ähnlich aus. Anders, als wenn x die teetasse anhebt. Fühlt x etwas anderes als ich dabei? Und: Ist das der Grund, warum x sie anders anhebt als ich?  Würde ich fühlen, was X fühlt, höbe ich die Teetasse wie er?

      • Der zweite Fehler liegt in der Verabsolutierung von “richtig” und “falsch”. Richtig und falsch bezieht sich auf im Vornherein festgelegte Ziele. Der richtige Weg nach Bremen ist der, der nach Bremen führt. Ohne vorher festgelegtes Ziel (Bremen) wird die Farge selbst sinnlos.
      • Das führt wieder zur eingangs gemachten Bemerkung: “Richtig wofür”? Geben Sie also an, für welche Situation Sie fragen? Wie komemn Sie zu der Frage nach der Atmung? Vielleicht werden Sie manchmal heiser - aber warum sollte das eine Frage der Atmung sein? Vergelcihen Sie die Frage nach der Atmung mit der nach Ihrer Geschichte. Haben Sie richtige Geschichte zur Heieserkeit? Würde jemand anders mit derselben Geschichte ebenfalls heiser?

      • Der dritte Fehler ähnelt dem ersten: Es ist durchaus möglich jemand zu zeigen, wie er etwas tun soll: “Stell die Vase hier hin, dreh den Kopf mehr nach links etc”. Wie aber steht es mit dem Gefühl, das dabei eine wichtige Rolle spielen soll (Falls überhaupt, wie oben erläutert). Kann ich jemand anders ein bestimmtes Gefühl vermitteln? Mein Gefühl?
      • Und: Woher weiß ich, daß er das Richtige dabei fühlt?

        Verhalten sich die Dinge im Leben tatsächlich so simpel kausal, wie die Frage es andeutet?

 

  • Die andere Art Antwort - Stimme auf Einatmen

    In der praktischen Arbeit ist Flexibilität interessant.

    Eine Sache so können und anders. Erst dann ergibt sich die Möglichkeit der Wahl. Die Möglichkeit des Vergleichs. Erst dann gibt es die Möglichkeit, etwas “richtig” oder “falsch” zu machen - wenn ich es auf mindestens zwei Arten tun kann.

    Haben Sie fünf Minuten Zeit?

    Lust auf eine kleine Safari?

    (Die Rolle des unbekannten Kontinents spielen dabei Sie selbst!)

    Dann geht’s los:

      • Suspendieren Sie also für den Moment die einengende Alternative “richtig - falsch”.
      • Beobachten Sie den Unterschied zwischen der Zeit, die Sie fürs Einatmen brauchen mit der, die Sie fürs Ausatmen brauchen.
      • Welches von beiden dauert länger?
      • Um wie viel?
        • Ist der eine Teil der Phase doppelt so lang, wie der andere?
        • Dreimal so lang?
        • Nur um wenig länger?

 

      • Machen Sie eine kurze Pause.
        • Vermutlich konnten Sie merken, dass die bewusste Beschäftigung mit dem Atem den Atem verändert?
        • Das ist nicht bloß unvermeidlich - das macht die Sache auch spannend!

 

      • Singen Sie auf dem Austmen einen Ton.
      • Tun Sie das jedes Mal beim Ausatmen.
      • Beobachten Sie, ob die Ausatemphase dadurch kürzer oder länger wird.
      • Um wie viel wird sie länger - oder kürzer?
        • Ein wenig?
        • Ums doppelte?

 

      • Machen Sie jetzt im Einatmen einen Ton. Das klingt ziemlich ungewöhnlich (in jedem Sinn!)
        • Der Ton klingt anders als der, den Sie im Ausatmen produiert haben.
        • Wiederholen Sie das fünf Mal.
        • Bemerken Sie, dass das Einatmen sich verlängert, wenn Sie dabei einen Ton machen? (verlängert es sich nicht, wird es mit der Tonerzeugung schwieriger!)
        • Ein - oder Austamen mit Ton kann nicht so kurz sein, wie ohne, da die Luft beim Tonmachen nicht so schnell ausströmen kann. Sie setzt die Stimmlippen, die sich in den Luftweg stellen, in Schwingung.

 

      • Unabhängig davon, wie gut die Tonerzeugung im Einatmnen bis jetzt geklappt hat (Üben Sie das ruhig in Mußeminuen weiter) - wie hat sich Ihr Atmen verändert?
      • Wo können Sie jetzt Atembewegung wahrnehmen, wo Sie sie normalerweise nicht oder nicht so wahrnehmen?
      • Wie fühlt sich das Atmen jetzt an?
      • Welche Ihrer Vorstellungen bezüglich des Atmens hat sich durch diese kleine Untersuchung verändert?

    FAZIT:

    Üben Sie mit dem Ziel, variabler zu werden. Mit jedem Mal mehr Unterschiede wahrnehmen zu können.

    Versuchen Sie nicht, eine  Art des Tuns (hier: Atmen) als Antwort auf alle Situationen einzuschleifen - das wird nicht gelingen. Und gelänge es - es liefe Ihren Absichten entgegen. Die größte Kritik für einen Schauspieler ist die, wenn ein Zuschauer sagt:

    “Sie sprechen so schön!”

    Denn die Technik sollte ja dem Inahlt dienen - und kein Selbstzweck sein. Eine Technik selbst ist kein Inhalt. Spielt sich die Technik ind en Vordergrund - verliert der Inhalt von Vornherein.

    Dann lieber keine Technik.

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