Feldenkrais’ Pädagogik im Stimmtraining
Kurz und bündig
- Vorstellung eines Stimmtrainings und eines Buches zum Thema, das Feldenkrais’ Methoden nicht nur inkorporiert, sondern umgekehrt die Feldenkraismethode auch um die Aspekte des Klangs erweitert. Das ist nicht nur für an Klang Interessierte wichtig (Sprecher, Sänger, Instrumentalisten, Tänzer) sondern auch für diejenigen, die primär mit Bewegung arbeiten, weil der Klang Informationen über den Körper und dem Körper direkt gibt, die über Bewegung und Berührung allein unerkannt bleibt.
- Zielgruppe: Feldenkraislehrer und –Schüler.
Erweiterung der Wahrnehmung ums Hören
Feldenkrais war an den ihm zugänglichen Theorien zur Wahrnehmung interessiert. Wer sich mit Stimme beschäftigt, für den sind neben Theorie und Praxis von Körper und Bewegung auch die neueren Erkenntnisse der Akustik interessant sowie die Frage des Zusammenspiels der Sinne wie etwa Bewegungssinn und Hören, Gleichgewicht und Hören.
„Was das Stimmtraining der Feldenkraismethode geben kann?“
Antwort: Die Erweiterung der eigenen Wahrnehmung um das Phänomen „Klang“.
Während man zunächst bei einer Kombination Feldenkrais – Stimme daran denkt, wie Feldenkrais die Stimme beeinflusst (z.B. ATMs oder FI für den Unterkiefer, Hals etc), ist gerade der umgekehrte Weg besonders interessant:
- Wie die Wahrnehmung des Klangs auf den Körper zurückwirkt.
- Sei es nun der eigene Stimmklang, ein fremder Stimmklang (z.B. der des Lehrers) oder ein Instrumentenklang (z.B: tieffrequente Stimmgabeln, hochfrequente Klangerzeuger wie Rasseln oder Klangschalen oder übliche Instrumente wie Klavier etc)
Klangliche Bewusstheit erweitert körperliche Bewußtheit
Im Feldenkrais lernt man, die Wahrnehmung des eigenen Körpers, der Bewegungsqualitäten, zu erweitern. Das vorgestellte Stimmtraining kombiniert dieses Feld mit dem der Klangwahrnehmung, die auf mehreren Wegen geschieht:
- über den Luftweg (von innen und von außen)
- über Muskeln und Knochen.
- So wird klar, dass die Stimme Informationen über den Körper geben kann, die über Bewegung und Berührung nicht anzapfbar sind.
Die souveräne Stimme
Als Buch liegt Die souveräne Stimme von Olaf Nollmeyer (Buch mit Audio CD und interaktiver CD-ROM., GABAL Verlag 2005) vor. Das Buch ist auf die Bedürfnisse von Sprechern ausgerichtet, die keine Vorkenntnisse von Stimmtraining oder Feldenkrais haben müssen.
- Feldenkrais und Stimmtraining laufen hier nicht parallel („Erstmal ein bisschen entspannen mit Feldenkrais, und dann kommt die Stimmtechnik dran.“), sondern sind mit einander verwoben.
Im Folgenden einige Stichpunkte, die die Art der Verwobenheit von Feldenkrais’ Lernprinzipen und dem vorgestellten Stimmtraining aufzeigen.
Übung oder Lektion?
Die Übungen des Buches sind Explorationen, Wiederholung dient dazu, auf immer neue Aspekte der Bewegung und des Klangs aufmerksam zu werden.
Lernen durch Vergleichen
Die Übungen trainieren die Eigenwahrnehmung in Bezug auf den Körper und den (Stimm-)Klang durch ihre dreiteilige Übungsstruktur.
Erweiterung des klanglichen Selbstbildes
Die Übungen dienen der Klärung und Erweiterung des (in Analogie zum körperlichen Selbstbild bei Feldenkrais) klanglichen Selbstbildes. Formen von Heiserkeit gehören zum Beispiel zur akustischen Erwartung eines Menschen, der chronisch heiser ist oder schnell heiser wird.
Ebenso wie das Selbstbild des Körpers, lässt sich auch die Klangwahrnehmung systematisch erweitern.
Wahrnehmung und Handlung
Viele Übungen operieren direkt mit der Veränderung des akustischen Feedbacks mittels Schallreflektoren (Hände, Rohre, Vasen etc.). Veränderte Stimmfunktion wird so von der Ebene der Wahrnehmung (körperlich und klanglich) erreicht und stabilisiert.
Variabilität
Ein Kernmerkmal von Feldenkrais sämtlichen Arbeiten. Variabilität dient zum Beispiel als Voraussetzung für Selektion geeigneter Muster. Ein und dasselbe Ziel lässt sich auf viele verschiedene Arte erreichen. Das gibt Spielraum für die Explorationen in Bewusstheit durch Bewegung und FI.
Auch akustische Muster lassen Variationen in ihrer Erzeugung zu. Die Vokale zum Beispiel sind nicht an bestimmte Einstellungen von Kiefer, Zunge usw. gebunden. Diese Variabilität ist aber oft gewohnheitsmäßig auf wenige oder nur ein Muster eingeschränkt, diese Einschränkung verursacht Probleme oder ist nicht in der Alge, mit neuen Anforderungen zurecht zu kommen.
Persönliches Muster und menschliche Struktur
Die Übungen zielen auf eine Verbesserung der eigenen Wahrnehmung der Stimme. Sie konditionieren nicht auf ein vorherbestimmtes klangliches Ideal. Ähnlich der Erfahrung bei Feldenkrais-Aufgaben aber kommen viele Leute im Laufe der Beschäftigung mit einem Thema zu ähnlichen Lösungen: Das Vibrato beispielsweise und die Sängerformanten als über-individuelle Qualitäten ergeben sich von selbst.
Änderung des Kontextes
Viele Übungen stellen Kontextänderungen dar ähnlich der im Feldenkrais praktizierten Änderungen beispielsweise durch Lage (Singen im Stehen im Unterschied zu Singen im Liegen; Gehbewegungen im Liegen), durch Ankoppeln von externen Klangräumen an die eigenen Räume, Sprechen im Liegen statt im Sitzen und vieles mehr.
Körperliche und klangliche Kriterien
„Der Kopf möge immer leicht beweglich sein.“ „Eine Bewegung soll die Atmung nicht stören.“ „Eine Bewegung möge jederzeit anzuhalten oder sogar umkehrbar sein.“ „Alle Teile, bzw. der ganze Mensch, sollen an einer Bewegung beteiligt sein.“ Die sind einige der Kriterien für gute Bewegung. Diese werden auch auf die Stimmarbeit angewendet. Zugleich werden von akustischer Seite aus ebenfalls Kriterien eingeführt: Verteilung der Energie im Frequenzspektrum; Beweglichkeit der Stimme (fortgeschritten: das Vibrato als geregelte und regelnde Frequenz- und Lautstärkeschwankung).
Erweiterung der Wahrnehmung
Wie beim Feldenkrais klärt der Lernende seine Wahrnehmung, lernt sie zu strukturieren, zu verfeinern und zu erweitern. Zu den körperlichen Dimensionen kommen hier die akustischen.
Lateralität
Auch das Hören ist lateral unterschiedlich. Das kann man sich zunutze machen.
Bereich des Bequemen - subjektiver Maßstab
Was im Feldenkrais für Bewegungsradius gilt, gilt hier auch für die klanglichen Parameter: Arbeit an der Stimme im bequemen Bereich.
Konstruktive Einschränkung von Freiheitsgraden
Freiheitsgrade eines Gelenks temporär bewusst einzuschränken ist ein beliebtes Lernprinzip bei Feldenkrais. Im Stimmtraining kommt dieses Prinzip ebenfalls zum Tragen. Zum Beispiel kann man die Freiheitsgrade des Luftwegs auf verschiedene weise nutzbringend einschränken.
Schülerzentriert
Ausgangs- und Bezugspunkt ist der Schüler mit seinen momentanen Möglichkeiten und Wünschen.
Üben im Dialog
die Übungen sind dialogisch. Fragen zur Wahrnehmung (auditiv und/oder körperlich) bringen den Übungsablauf voran. Der Schüler lernt dadurch, einen konstruktiven Dialog mit seinem Körper und seiner Stimme zu beginnen und aufrecht zu erhalten.
Destabilisierung
Viel Übungen benutzen das Prinzip der Destabilisierung einer Gewohnheit – sei es vom Körper aus (ungewohnte Haltung, Bewegung) oder vom Klang (Veränderung des Hörens) – zum Zweck der Neu-Organisation
Bewegungsgewohnheit – Hörgewohnheit
Das Konzept der Gewohnheit kommt hier auch in Bezug aufs Hören zur Anwendung
Thema Zielfixiertheit
Zielfixiertheit schränkt den bereich des Möglichen meist auf den de Gewohnheit ein. Das ist auch in der Stimme so. Aufgaben sind manchmal so gestellt, daß dem Schüler die Zielvorstellung fehlt, um sich aus der Gewohnheit lösen zu können.
Stimme ist Handlung
Stimmliche Phänomene sind nicht für sich genommen interessant, ebenso wenig wie eine bestimmte Bewegung. So, wie Feldenkrais Haltung oder Bewegung in Bezug zur Absicht des Schülers sieht, werden hier die stimmlichen Phänomene in ihrem Kontext berücksichtigt.
Wissenschaft als Inspiration
Neueste akustische Erkenntnisse und eine Auseinandersetzung mit der Physik des Schalls ermöglichen eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Konzepten und ermöglichen ganz neue Lernansätze.
Das Lernen lernen
Das Buch ist Anleitung dazu, das Lernen zu lernen, Körper- und klangorientiert.
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