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Hörbild und Gewohnheit(Ein Ausschnitt aus dem Kapitel Hintergründe in Die souveräne Stimme. Der Begriff der Gewohnheit wird hier wie in der Alexander-Technik und im Feldenkrais benutzt und veranschaulicht.) Handlungsentwurf des Gehirns Das Gehirn entwirft, bevor Sie eine Handlung ausführen, ein Bild dieser Handlung, eine Handlungserwartung. Diese ist wichtig, um überprüfen zu können, ob die Handlung richtig ausgeführt wird oder ob nicht, und wann sie beendet sein soll: Sie neigen die Teekanne so lange über der Tasse, bis die Tasse voll ist. Dann beenden Sie das Neigen. Wer das noch nicht gelernt (Kinder) oder eine bestimmte Hirnverletzung erlitten hat, der gießt immer noch weiter, auch, wenn die Tasse längst voll ist. Das Hörbild Auf die Stimme und das Hören bezogen heißt das: Sie haben eine Klangerwartung, ein inneres Hörbild, an dem Sie sich orientieren. Dieses stellt Stimmlippen, Kehlkopf und alle weiteren Teile und Räume ein. Gewohnheit ist eine alte Erfahrung Eine Klangerwartung ist aber eine alte Erfahrung. Wer sich selbst als heiseren Menschen kennt, stellt sich immer wieder heiser ein. Denn eine Gewohnheit hat einerseits den Vorteil, dass sie ein Tun so organisiert, dass Sie darüber nicht nachzudenken brauchen. Der Nachteil aber liegt auf der Hand, wenn die entsprechende Organisation nicht optimal ist – dann stellen Sie sich gewohnheitsmäßig suboptimal ein und nennen das Ihren Normalzustand. Bei einer Heizung entspricht das dem Sollwert des Thermostates. Ist dieser auf Zwanzig Grad eingerastet, dann sagt er der Kraftzentrale (Heizung), sie möge heizen und heizen – so lange, bis Zwanzig Grad (der Sollwert) erreicht sind. Ob es Winter ist und alle Fenster und Türen offen stehen, ist dem Thermostat dabei schnurz. Es lohnt sich also, den Sollwert und die Bedingungen, unter denen er funktionieren soll, zu untersuchen ... Wie kommt das Neue ins Alte? Selbstredend bemerken Sie das, was Sie gewohnheitsmäßig tun, nicht, und so ist die suboptimale Einstellung Teil Ihrer Welt- und Selbsterfahrung: Sie kennen die Welt und sich darin nicht anders. Stimmarbeit muss daher vor allem darauf zielen, überhaupt Erfahrungen außerhalb der Gewohnheit zu ermöglichen. Erst von dieser (neuen, ungewohnten) Warte aus betrachtet wird die Gewohnheit erkennbar. Und erst dann können Sie beginnen, Alternativen dazu zu entwickeln. Stimmarbeit sollte Erfahrungen außerhalb der Gewohnheit ermöglichen. Neue Hörvorstellung Eine wirkliche Veränderung verändert den Sollwert. Die Übungen des Buches ermöglichen es Ihnen, einen neuen Bezugsrahmen, in dem sich Ihr System einpendeln kann, aufzubauen. Das Ermitteln des Ausgangszustandes im ersten Teil jeder Übung ist nichts anderes, als das Klären des Sollzustandes. Der Vorher-Nachher-Vergleich ist damit ein Vergleich zweier Sollwerte. Der Übungseffekt verändert also den Sollwert. Wie das strukturell aussieht, zeigt der nächste Abschnitt. Aus Neu mach Alt Die folgende Abbildung zeigt, wie Sie bei der Intention „etwas zu sagen“, auf Ihr gewohntes Sprechmuster zurückgreifen. Das passiert so schnell, dass Sie den wichtigen Zwischenschritt zwischen der Absicht (etwas sagen wollen) und dem Ergebnis (sprechen) nicht bemerken.
Merkmale einer Gewohnheit Die Geschwindigkeit, die Tatsache, dass Sie nicht über das, was Sie tun, nachdenken und den Ablauf des Geschehens auch nur schemenhaft wahrnehmen, sind Merkmale einer gewohnten Handlung. Gewohnheit ermöglicht rasches Reagieren, das innerhalb des eingeschliffenen Schemas abläuft. Gewohnheit erlaubt, parallel mit der Aufmerksamkeit woanders zu sein. Beispiel Autofahren: Ein erfahrener (!) Fahrer kann sich während des Fahrens mit dem Beifahrer unterhalten, die schöne Aussicht (Kumuluswolken über Autobahn) betrachten, per CD eine Sprache lernen etc. Nachteile der Gewohnheit Nachteil der Gewohnheit: Wenn das, was Sie eingeschliffen haben, ein fehlerhaftes oder suboptimales Programm ist (und bei wem wäre das nicht der Fall? Wer ist schon perfekt?) – dann reproduzieren Sie diese (selben) Fehler eben immer wieder und bemerken es immer erst im Nachhinein. Der Fehler unterläuft (nämlich unterhalb der Schwelle der Wahrnehmung) Ihnen. Weiters ist jede Reaktion, Handlung oder Antwort auch situationsgebunden – was in einem Kontext sinnvoll ist, kann in einem anderen sinnlos sein. Als Kind mag es sinnvoll gewesen sein, einfach lauter zu brüllen, wenn die Außenwelt den eigenen Wünschen nicht nachgekommen ist – als Erwachsener dasselbe Muster anzuwenden kann problematisch werden. Gewohnte Gleise verlassen Gewohnheiten haben also zum einen durchaus Sinn. Zum anderen werden ihre Vorteile – schnelle Reaktion, unbewusster Ablauf, Einhaltung des eingeschliffenen Weges – beim Lernen zum Hindernis. Um aus dem Automatismus der Gewohnheit ausbrechen zu können, finden sich stets eines oder mehrere der folgenden Elemente als Teil der Übungen dieses Buches:
Diese Elemente führen dazu, dass Sie
In einem dritten Schritt wird das neue Muster zur neuen Gewohnheit.
Erhöhung der Wahlmöglichkeiten Ein solcher Lernprozess zielt also nicht darauf, ein suboptimales Muster auszulöschen („Ich werde NIE WIEDER ...!“), sondern bereichert es vielmehr um eine neues. In Zukunft haben Sie (erstmals) die Wahl zwischen Ihrer alten Gewohnheit, die ja in vielen Situationen durchaus Sinn macht, und dem neuen Muster, der neuen Gewohnheit. Aufmerksamkeit, Fragen, bewusstes Wahrnehmen usw. brauchen Sie nur für die Dauer einer Übung, für den Lernprozess. Wenn Sie das Neue integriert haben – ist es nicht mehr neu, sondern fragloser Teil Ihrer selbst. (Nun können Sie sich erneut in die Lernschleife begeben!) Entsprechend ist auch die abschließende Darstellung wieder schlichter:
(Ausschnitt aus Kapitel Hintergründe in : Die souveräne Stimme von Olaf Nollmeyer.) |