Raffaelo Puntini
war ein für seine Pausen weltberühmter Cellist. In Puntinis Pausen versank mühelos ein dreitausendköpfiges Publikum.
Einmal machte Puntini sich einen Spaß daraus, ein dreitausendköpfiges Publikum in der Stille zwischen zwei Tönen, welche Puntini, die Lippen im Genuss breit gezogen, schier bis ins Unendliche dehnte, untergehen zu lassen, um dann lautlos – das Cello bettete er sanft seitlich auf seinen Zargen und zog sich noch auf der Bühne und in vollstem Rampenlicht die Schuhe aus – auf Socken den Konzertsaal zu verlassen um in der Kantine an Spiegeleiern mit Speck zu schmatzen und unverständliche osteuropäische Trinksprüche auszurufen, während das Publikum atemlos noch immer unter dem Deckel ozeanischer Stille tauchte, bis Punkt elf Uhr - ein Konzert dauert sonst nur bis um zehn - eine der gewerkschaftlich organisierten Garderobenfrauen mit lautem Geknarre die Flügeltüren zum Foyer öffnete, und das dreitausendköpfige Publikum sich die sechstausend Augen rieb und zuerst zaghaft, dann aber stürmisch und sogar brüllend der leeren Bühne und der großartigen Stille des Raffaelo Puntini applaudierte, den osteuropäische Bühnenarbeiter inzwischen unter den Kantinentisch gesoffen hatten.
Olaf Nollmeyer
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