FAQ - “Singe ich schief?”
Diese Frage ist interessant. Für den, der sie ernsthaft stellt, ohnehin. Aber vielleicht noch mehr für den, der diese Frage nicht hat - der selbst fraglos “gerade” singen kann. Denn, wie macht er das eigentlich? Woher weiß einer, woran merkt er’s, dass er “gerade” singt? Und für den Schiefsinger stellt sich dieselbe Frage: “Woran merken Sie’s eigentlich?”
Vertrackt: Den Lernprozess des Gelernten rekonstruieren
Für den “Geradesinger” ist der Versuch der Beantwortung - und damit der Versuch, den Schiefsinger auf die “richtige Spur” zu setzen oft ähnlich quälend, wie einem erfahrenen Fahrer, einem Fahranfänger das Autofahren beizubringen - “Nein, nicht so! - So! Merkst du das denn nicht?” Das Problem ist dabei wohlgemerkt nie der Schiefsinger oder der Fahranfänger - in Frage steht vielmehr, wie jemand, der etwas kann, weiß, daß er es kann. Weiß er das, kann er es einem anderen zeigen. Meist aber kann einer etwas, ohne zu wissen, wie. Den Ärger darüber kriegt dann der andere ab: “Was stellst du dich so an? Das ist doch falsch!
Es geht um mehr
Das Schiefsingen ist ein schöner Fall, um generell etwas übers Lernen und Lehren zu erfahren.
“So (zeigen, vormachen) macht man es!”
Hier zeigt sich, dass einer, der etwas kann, nicht gleichzeitig die Bedingungen fürs Funktionieren, die Kriterien fürs Funktionieren kennen muss - einer, der etwas gut kann, muss nicht zwangsläufig ein guter Lehrer sein. Die Kriterien für “gerade/ schief” zu kennen, ist dafür aber Voraussetzung. Ansonsten können Sie den anderen zwar lehren, es so zu machen wie Sie selbst (Imitation) - dann aber lernt der andere höchstens, eine (mehr schlechte als rechte) Kopie Ihrer selbst zu werden - und weniger über das Wesen der Sache.
Wie also können Sie wissen, dass Sie “gerade” singen?
Und wie wäre das vermittelbar ohne leibhaftige Lernsituation?
Hier mitten im Virtuellen?
Nun, die Kriterien sind ja gerade unabhängig von der Situation beschreibbar - und erfahrbar.
Audiovisuelles Feedback...
... wäre eine Möglichkeit, dem Schiefen und dem Geraden allein auf die Spur zu kommen. Warum nicht? Dabei erfahren Sie einmal über das akustische Phänomen der Schwebung, wie es klingt, wenn sich zwei Tonhöhen einander annhähern. Im Sonagramm können Sie diesen Prozess sehend mitvollziehen.
Dazu benötigen Sie einen Sinuswellengenerator und einen Spectrographen. Diese können Sie sich hier (Sinuswellengenerator BrainTone; Spectrograph) auf Ihren PC runterladen.
Kurz gesagt tun Sie dies (für eine ausführliche Beschreibung der Programme siehe CD-ROM von “Die souveräne Stimme” :
- Schwebung
- Geben Sie in BrainTone die Zahl “300” ein. Drücken Sie auf “play”. Sie hören nun einen Sinuston der Frequenz 300 Hertz.
- Regeln Sie die Lautstärke auf dem Lautstärke Balken unten im Fenster (”Volume”).
- Öffnen Sie ein zweites BrainTone-Fenster. Geben Sie hier die Zahl “309” ein. Klicken Sie auf “play”. Regulieren Sie die Lautstärke.
- Beobachten Sie, dass ein Puls entsteht, wenn beide Töne zusammen klingen.
- Schalten Sie jeweils einen Ton ab (“Stop”), ist der übrigbleibende Ton allein wieder ohne Puls.
- Verringern Sie nun langsam den Abstand der beiden Zahlen, indem Sie die Zahl im zweiten Fenster Schritt für Schritt um den Wert “1” reduzieren.
- Der Puls im Zusammenklang der beiden Sinustöne wird immer langsamer.
- Bei gleichem Wert beider Fenster (“300”) ist der Puls jedoch ganz weg!
- Beide Sinustöne schwingen gleich.
- Keiner singt mehr “schief” in Relation zum anderen!
- Geben Sie im zweiten Fenster den Wert “325” ein - dieser Zusammenklang ist komplexer - das Pulsieren wird tonähnlich.
- In den vorigen Fällen äußerte er sich rhythmisch - Sie konnten den Puls sogar mitzählen. Jetzt aber ist der “Puls” so schenll, dass Sie ihn nicht mehr mitzählen könnten - Sie empfinden ihn nicht mehr als Rhythmus, sondern als Klangeigenschaft. Denn es scheint außerdem ein weiterer, tieferer Ton mitzuwirken. Es ist, als könnte sich das Ohr nicht ganz entscheiden, welche Tonhöhe denn nun gemeint sei. Hier könnte der Eindruck “schief” entstehen.
- (Musikalisch betrachtet handelt es sich hierbei um einen Akkord, “kleine Sekunde” genannt.)
- FAZIT: Je langsamer die “Schwebung” (das Pulsieren”) desto mehr nähern sich zwei Sinusschwingen einander an - kommen in Gleichklang.
- Aber Achtung! Der Umkehrschluß ist daraus für die Stimme - die ja nicht aus einem einzelnen Sinuston besteht, sondern aus einer Vielzahl einzelner solcher Teiltöne (siehe dazu: “Die souveräne Stimme”, Kapitel Hintergründe oder im Internet: XYZ ) nicht gültig: “Pulsieren” oder “Schwingung” in einer einzelnen Stimme (besonders im gesungenen Ton bemerkbar) ist keineswegs ein Zeichen für “Schiefsingen”! (Eine bestimmte Form von Schwingung im einzelnen Klang ist sogar ein Qualitätsmerkmal- Stichwort: “Vibrato”!)
- “Schief” oder “Nicht-Schief” ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel zweier Klänge! Und obwohl es im Falle zweier Stimmen wesentlich komplexer zugeht, können auch hierbei die eben anhand der Sinustöne erfahrenen Kriterien gelten. Eine erste einfache Erfahrungen dazu können Sie mit der Übung Sinuston und Stimme (weiter unten)machen
Exkurs: Akkord
- Belassen Sie das eine Fenster mit dem Wert “300”. Geben Sie dem anderen den Wert “440”. Klicken Sie beide auf “play”.
- Auch bei diesem Abstand hören Sie den Frequenzunterschied nicht mehr als ein Pulsieren (dafür wäre das “Pulsieren” viel zu schnell) sondern als Akkord, als musikalischen Zusammenklang.
- Öffnen Sie ein drittes BrainTone Fenster und geben Sie hier die Zahl “370” ein. Diese drei Töne verbinden sich zum Akkord “D-Dur”.
- FAZIT: Wenn Sie nur weit genug “daneben” liegen, ergibt sich ein Akkord! Ein solches “Danebensingen mit System” kommt übrigens bei “Falschsängern” durchaus vor.
- Sinuston und Stimme
- Geben Sie in einem Brain-Tone Fenster die Zahl “300” (Frauen) oder “150” (Männer) ein.
- Singen Sie diesen Ton mit. Wählen Sie den Vokal “uu” oder “oo” wie in “Boot”.
- Rutschen Sie dann ein ganz wenig mit Ihrem Ton nach unten und nach oben; ähnlich vielleicht einem Wolfsgeheul oder einer Sirene. (Musikalisch: “Glissando”. mehr übers Glissando sowie Klangbeispiele dazu erfahern Sie im Buch)
- Auch hier können Sie Schwebungen, bzw. Pulsieren bemerken, wenn Sie sich in der Nähe des Sinustones aufhalten, aber nicht ganz “drauf” liegen.
- Kein Ehrgeiz! Dieser Zusammenhang muss Ihnen nicht im ersten Anlauf deutlich werden. Gehen Sie vielleicht noch einmal zurück zur ersten Übung, und spielen Sie eine Weile mit den Sinustönen. Wenn Sie selbst nicht beteiligt sind, sind die Unterschiede vielleicht einfacher wahrzunehmen. Sind Sie sich darin sicherer, kehren Sie mit dieser Erfahrung im Hinterkopf wieder zur aktuellen Übung zurück.
- FAZIT: So geht schief und gerade singen!
- Schiefsingen sehen
- Spielen Sie über BrainTone einen Ton (Männer bei “150”, Frauen bei “300”). Regulieren Sie diesmal die Lautstärke über die Boxen am PC. (Zunächst sehr leise.)
- Drucken Sie sich diese Seite aus, da Sie beim folgenden Öffnen des Spectrograph hier nicht weiterlesen können, so lange der Spectrograph geöffnet ist! (Klicken Sie im Spectrographen auf “Exit” stellt sich die vorige Bildschirmoberfläche wieder her. Für weitere Beschreibungen des Programmes siehe: CD ROM von “Die souveräne Stimme”)
- Schließen Sie ein Mikrofon am PC an.
- Öffnen Sie den Spectrograph.
- Wählen Sie Ihre Soundkarte in beiden Spalten aus. Klicken Sie “OK”
- Wählen Sie in beiden Spalten des folgenden Fensters die maximale Zahl aus, dann “OK”
- Wählen Sie in der “Palette” “heat”. Setzen Sie die “Max. Freq.” herunter bis die vertikale Achse rechts x zeigt. Klicken Sie dreimal auf das Minus-Symbol bei “Speed”. Klicken Sie dreimal auf das Plus-Symbol bei “Brightness”.
- Klicken Sie auf “Start”.
- Halten Sie das Mikrofon dicht an die Lautsprecher. Drehen Sie die Lautstärke am PC-Lautsprecher auf, bis Sie den Sinuston hören. Halten Sie das Mikrofon dicht genug an den Lautsprecher. Beobachten Sie die Linie, die im Spectrograph entsteht. Sie müsste auf der Höhe von 150 Hz bzw 300 Hz liegen (vertikale Achse rechts)
- Singen Sie zum Sinuston dazu.
- Die unterste Linie, die bei Ihrem Stimmklang entsteht (bei den Männern kann sie etwas schwächer ausgeprägt sein als bei den Frauen) liegt dann auf derselben Höhe , wie die des Sinustones, wenn Sie “gerade” singen. Beide Linien überlagern sich. Sie werden dann auch heller.
- Singen Sie höher oder tiefer als der Sinuston, liegt dieser unter oder über Ihrer tiefsten Linie.
- Klicken Sie auf “Stop” können Sie sich das Bild in Ruhe betrachten. Klicken Sie wieder auf “Start” verschwindet das vorige Bild, und Sie können erneut ins Mikrofon singen.
- FAZIT: Sie singen dann gerade, wenn die tiefste Linie Ihrer Stimme auf derselben Höhe liegt, wie der Sinuston.
- ERGÄNZUNG: Das Kriterium für “Geradesingen” ist hier der Einfachheit halber nur beschränkt beschrieben und eingesetzt. Genauer müsste es heißen: Sie singen auch dann “richtig”, wenn dieHöhe der Linien Ihrer Stimme jeweils ein ganzzahliges Vilefaches des Sinustones sind.
- Beispiel: Der Sinuston liegt bei 300 Hz. Im Bild Ihrer Stimme finden sich Linien bei 300 Hz, 600 Hz, 900 Hz, 1200 Hz, 1500 Hz, 1800 Hz usw.
|